Novaesium – Lesebuch wie ein Krimi

Während die Entstehungsgeschichte der Stadt Neuss ziemlich erhellt ist, liegt die des adligen Damenstifts St.Quirinus ziemlich im Dunkeln. Dabei ist dieses so etwas wie ein Katalysator der mittelalterlichen Stadt. Carsten Greiwe, ein in der Quirinusstadt bekannter Historiker, hat sich im soeben veröffentlichten Neusser Jahrbuch für  Kunst, Kultur und Geschichte „Noveasium 2020“, des Themas noch einmal angenommen.

Mit dem druckfrisch vorliegenden neuesten Band der seit 1956 erscheinenden Reihe behandeln die Herausgeber kulturgeschichtliche Themen und Jubiläen und wichtige kulturelle Ereignisse. Herausgeber sind Dr. Uta Husmeier-Schirlitz und Dr. Jens  Metzdorf, im Auftrag der Stadt. Das Buch ist zum Preis von € 19,80 erhältlich und über den Neusser Buchhandel, die Tourist-Information und das Stadtarchiv zu beziehen. Aufgrund der Corona-bedingten Schließung des Stadtarchivs können Bestellungen hier nur per eMail an stadtarchiv@stadt.neuss.de oder telefonisch mit der Rufnummer 02131-904250 vorgenommen werden.

Ein Damenstift als Katalysator der mittelalterlichen Stadt Neuss? Um das zu verstehen, hat man sich zu vergegenwärtigen, dass im Mittelalter und noch bis in die Neuzeit – hier allerdings unter etwas anderen Vorzeichen – adlige oder semiadlige Fräuleins, die nicht standesgemäß verheiratet werden konnten, ins Kloster gingen, um hier ein Leben zu führen, das den Ansprüchen genügte. Ihre Stellung im Kloster war von ihrer zuvor genossenen Ausbildung und ihrer Mitgift abhängig.

Die Gründungserzählung handelt von einem Grafenpaar, in Kleve ansässig, die das Damenstift Mitte des 9. Jahrhunderts in Neuss ins Leben rief. Dem wurde lange nicht widersprochen, denn es war eine gefällige Geschichte und eine Gründungsurkunde ist nicht überliefert. Fakenews sind keine Erfindung des 21. Jahrhunderts. Und auch das was diese Form von „alternativen Fakten“ ausmacht, ist seit Urzeiten geläufig, nämlich die Rückkopplung an tatsächliche oder vermeintlich wirkliche, was die alternativen glaubwürdiger macht.

In diesem Fall geht es um Wissel, wo angeblich von dem erwähnten Grafenpaar, ebenfalls ein Stift gegründet wurde, zur nämlichen Zeit, Mitte des 9. Jahrhunderts. Nur, auch das stimmt nicht, denn zu der Zeit gab es noch gar kein Grafengeschlecht in Kleve. Das ist wohl erst einige hundert Jahre später entstanden.

Zur Wehrhaftigkeit der Stadt Neuss im Mittelalter hat sich Josef Burdich im Jahrbuch geäußert. Zur Illustration hat er einen kolorierten Kupferstich von P. Pannensmit heraugezogen, der aus dem Jahr 1588 stammt, zwei Jahre nach einem verheerenden Brand in der Stadt, zeigt er sie allerdings davor. Hier, im Neusser Tageblatt, veröffentlicht mit freundlicher Erlaubnis von Dr. Jens Metzdorf

So liest sich ein Jahrbuch wie ein Kriminalroman, wenn man denn Augen dafür hat. Und auch überraschende Wendungen sind – wie in der Gründungsgeschichte – zu erwarten. So könnte das Quirinuskloster auch eine königliche Reichsgründung des Jahres 863 gewesen sein. Nur Fakten dafür gibt es – noch – nicht.

Das Jahrbuch ist ein Lesebuch, das sich auch der neueren Geschichte nicht verschließt. So hat Dr. Jens Metzdorf  einen Beitrag zu den Ereignissen des Jahres 1920 verfasst, eine Zeit die ziemlich genau 100 Jahr zurückliegt und die er als Zeit der Unsicherheit und Transformation bezeichnet, vielleicht etwas, was wir heute wieder erleben, wenn auch mit anderen Vorzeichen.

Ein Beitrag von Jürgen Brautmeier behandelt das Ende des 2. Weltkriegs in Neuss, eine dankenswerte Dokumentation, denn die Menschen, die diese Zeit erlebt haben, gibt es bald nicht mehr, und der jüngeren Generation erscheint die Zeit so fern, wie der im Geschichtsunterricht behandelte 30jährige Krieg, als große Not und Elend die Menschen heimsuchte.

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