Gab es einen Hafen in Novaesium?

Die Abschlusspublikation des Forschungsprojektes „Der Rhein als europäische Verkehrsachse III“ ist erschienen. Von Manuela Mirschenz, Renate Gerlach und Jan Bemmann. Sie enthält auch einen Beitrag der Neusser Archäologen Dr. Karin Striewe (Amt für Stadtplanung, Bodendenkmalpflege) und Dr. Carl Pause (Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Clemens Sels Museum), der sich mit dem sagenhaften römischen Hafen in Novaesium beschäftigt.

Das Thema war eines von 19 Projekten des Forschungsschwerpunktes „Häfen von der Römischen Kaiserzeit bis zum Mittelalter“ der Deutschen Forschungsgemeinschaft, an dem seit 2012 rund 60 internationale Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen mitgearbeitet haben.

Der Hafen von Novaesium ist deshalb sagenhaft, weil niemand weiß ob es ihn gab und wenn, wo er sich befunden hat. Man geht davon aus, dass es ihn gab und stützt ich dabei auf die Lage der römischen Militärlager in der Nähe des Rheins sowie auf Güter, die auf dem Fluss verschifft wurden und an Land kamen: Ölamphoren aus Spanien oder Kalksteinblöcke von der oberen Mosel.

Lange vermutete man den römischen Hafen im Bereich des heutigen Sporthafens bis 2016 hier im Rahmen des Projekts geoelektrische Messungen und Kernbohrungen bis in eine Tiefe von 5 m durchgeführt wurden. Sie ergaben, dass es einen Rhein in römischer Zeit hier nicht gab.

Dies war aber nicht die einzige Überraschung. Lange war man davon ausgegangen, dass die römischen Häfen an Altrheinarmen oder strömungsarmen Flussabschnitten lagen.  Das hat sich als Irrtum erwiesen. Neue geoarchäologische Untersuchungen zeigen, dass dies nicht stimmt. Demnach gab es wohl römischen Anlegestellen für Schiffe kurz vor den Scheitelpunkten der Prallhänge.

Um das zu verstehen, bedarf es einiger geologischer Kenntnisse. Unter einem Prallhang hat man einen Flussabschnitt zu verstehen, der entsteht, wenn der Fluss oder Strom, in diesem Fall der Rhein, auf ein Steilufer zuläuft. Das löst er auf und den Abraum lässt das Gewässer auf der Gegenseite liegen.  Es entstehen riesige (in diesem Fall) Kiesbänke, in deren Vorlauf Flussabschnitte entstehen, die ruhig sind und sich für Anlegestellen eigenen. Auf Neusser Stadtgebiet sind hierfür in römischer Zeit zwei Bereiche von Interesse: das Rheinufer zwischen dem Reckberg und dem nun verschwundenen Quinheimer Berg auf Höhe der Ortslage Grimlinghausen sowie das Ufer zwischen dem Sporthafen und der heutigen Neusser Innenstadt. Von der damaligen Uferfront ist natürlich nichts mehr da, weil die Ostverlagerung des Rheins in römischen Zeiten in vollem Gange war. 

Und die Veränderung der Uferstruktur erfolgte nach jedem Hochwasser des Rheins, und davon gab es bis 1957 immer zwei im Jahr, also noch lange, nachdem der Rhein im Mittelalter in ein festes Bett gezwungen wurde. 

Bonner Beiträge zur Vor- und Frühgeschichtlichen Archäologie. Bd. 22. Bonn 2019. 
ISBN 3-936490-22-0.

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