Wie eine Pille versüßt wird

Eingang zur Sebastianusstraße

Dem Auto als Verkehrsmittel wird von vielen Seiten Attraktivität geraubt. War nach dem Zweiten Weltkrieg die Prämisse, die Städte autozentriert wieder aufzubauen, so wird in der Gegenwart eine Stadt- und Verkehrsplanung favorisiert, die sich vom Automobil abwendet und dafür die ehemalige Lenkerin des sich selbst bewegenden Fahrzeugs anspricht, und sie bewegt, andere Mittel zu benutzen, um sich fortzubewegen. Selbstredend ist auch der Mann – an ihrer Seite oder nicht – angesprochen. Als Grund wird angegeben, man unterscheide zwischen Verkehr und Mobilität. Zu urteilen, ob das eine Unterscheidung ist wie die, zwischen Schein und Wirklichkeit, sei dem Publikum überlassen.

In Neuss wird seit Juli der Verkehr aus der Sebastianusstraße verbannt. Eine Straße, die vom Hamtor in die Innenstadt führt, so ungefähr 150m lang, gesäumt von Einzelhandel, Dienstleistung, Gastgewerbe und natürlich Wohnraum. Da wo bisher Parkplätze für Autos, sind die nun leer, nicht ganz, aber überwiegend und wettertaugliche Sitzgelegenheiten werden vorgehalten, dekoriert mit Pflanzen. Und Blumenkübel gibt es auch.

Absicht für diese Umwidmung einer Verkehrsader ist die Erhöhung der Aufenthaltsqualität in der Neusser Innenstadt. Dazu geht der Versuch nun in seine zweite Phase. Ab dem heutigen 02.08.21 ist die Straße für den normalen Autoverkehr gesperrt.

Die Sperrung für den motorisierten Individualverkehr ist mindestens bis zum 31.03.22 geplant. Bis dahin wird dort ausschließlich der Lieferverkehr täglich bis 13 Uhr ermöglicht. Danach ist eine Einfahrt durch Baken – sicher vorerst provisorisch – unterbunden; der Straßenzug ist nur noch zugänglich, für jemand, der sich zu Fuß oder auf dem Fahrrad oder so etwas ähnlichem fortbewegt.

Christoph Hölter, Beigeordneter, auf der Sebastianusstraße

Das ist natürlich durchaus problematisch. Die Inhaberin eines anliegenden Friseurgeschäftes vom Neusser Tageblatt befragt, wie sie denn die Sperrung für den Autoverkehr beurteile, äußerte die Befürchtung, dass dies ihrem und anderen Geschäften schädlich sei, denn die Kundschaft sei es gewohnt, mit dem Auto zu kommen. Außerdem gäbe es ja auch Mieter von Wohnraum, die normalerweise ihre Autos versuchen, vor der Tür abzustellen. Wie das mit der Geschäftsentwicklung des Handels und der Dienstleister wird, wird man sehen und spätestens für Frühjahr 2022 hat sich das Neusser Tageblatt zu ausführlichen Interviews angemeldet. Dass die Aktion nicht unumstritten ist und dass die Stadt vieles tun will und muss, um diese Verkehrsbeschränkung den Leuten schmackhaft zu machen, ist daran zu ersehen, wer sich an dem heutigen sonnigen Vormittag alles zum Schauplatz bewegte. Sich den Fragen der Öffentlichkeit stellten: Dr. Dirk Günnewig, Leiter Abteilung „Grundsatzangelegenheiten der Mobilität, Digitalisierung und Vernetzung“ im Verkehrsministerium des Landes Nordrhein-Westfalen, Stella Schwietering, Mobilitätsmanagerin im Verkehrsverbund Rhein-Ruhr, Sven Brückner, Kommunalberater in der Geschäftsstelle des Zukunftsnetz Mobilität NRW beim Verkehrsverbund Rhein-Sieg, Norbert Jurczyk, Mobilitätsmanager und Leiter des Amtes für Verkehrsangelegenheiten der Stadt Neuss und last but not least: Christoph Hölter, Beigeordneter der Stadt Neuss für Planung, Bau und Verkehr. Der hat interessante Pläne für die Verkehrsberuhigung, bis hin zu Tanz und Musik, wobei er offen lässt, ob es sich um „Lifemusic“ handeln könnte oder sie aus Lautsprechern zu hören sein wird.

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