Jahrbuch für den Rhein-Kreis neu aufgelegt

Zum 21. Mal hat der Kreis Heimatbund Neuss e.V. ein Jahrbuch neu aufgelegt und sich damit um die Heimatkunde verdient gemacht. Es hat mehr als 304 Seiten, kostet € 12,- und ist über den Buchhandel zu beziehen, aber auch bei den Kreishäusern in Neuss und Grevenbroich, im Kreiskulturzentrum Zons und auf der Geschäftsstelle des Kreisheimatbundes in Dormagen, wenn auch aktuell wegen der Coronabestimmungen eingeschränkt. 

Die Schriftenreihe wird fortgesetzt.

Das Jahrbuch enthält 20 Beiträge, die sich mit Kultur und Geschichte der Region beschäftigen, die selbstverständlich auf unterschiedlich lebhaftes Interesse stoßen. Einige sind so, dass sie auch überregionale Aufmerksamkeit verdienen, andere regen zu weitergehende Überlegungen an und dann gibt es solche, die einfach nett zu lesen sind.

Die Abbildung zeigt ein Werk das Jan Mostaert zugeschrieben wird, das den Titel Joseph als Traumdeuter trägt. Es entstand um 1450 und befindet sich im Mauritshuis in Den Haag. Es verdeutlicht eine Tischszene mit hohem Becher und flacher Trinkschale. Auf dem Boden befinden sich Knochen und Apfelschalen, wie damals üblich (aus dem Jahrbuch 2021 des Rhein-Kreises, hier veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung von Dr. Marion Roehmer und Peter Stöher M.A.)

Dr. Marion Roehmer, Archäologin und Spezialistin für Rheinisches und Siegburger Steinzeug, hat sich mit den Tischsitten der Kölner Erzbischöfe auf Burg Friedestrom in Zons beschäftigt, wobei sie die Zeit vom 14. bis 16. Jahrhundert anschneidet. Erzbischof Friedrich von Saarweden verlegt 1372 die Zollstelle für den Rheinzoll von Neuss nach Zons und ließ die Burg errichten, deren Vorgängerin ungefähr 100 Jahre zuvor nach der Schlacht von Worringen geschleift worden war. Diese Schlacht, an der Akteure weit über die Region hinaus beteiligt waren, führte nicht zur vollständigen Änderung des Machtgefüges, aber es sortierte sie doch ein wenig, und stutzte vor allem die Machtfülle der Kölner Erzbischöfe. Neuss geriet in andere Einfluss-Sphären.

Das Foto zeigt eine flache Trinkschale für Wein, Bodenfund aus Zons, fotografiert von Matthias Hering, hier veröffentlicht mit freundlicher Erlaubnis von Dr. Marion Roehmer

Wie nun hielt man sich in dieser Zeit an einer fürstbischöflichen Tafel auf? Die Autorin versucht eine Rekonstruktion und greift dabei auf Ausgrabungen zurück. Hier wurde sie fündig, wenn auch nicht umfassend, denn das Gesinde nahm die Gegenstände des täglichen Bedarfs nach den jeweiligen Aufenthalten wieder mit nach Köln, Poppelsdorf oder Brühl, je nachdem, wo sich die Herrschaft danach aufhielt. Von dem was da blieb, möglicherweise nicht mehr ganz brauchbar, wurde einiges ausgegraben und diente der Rekonstruktion  – ebenso wie Gemälde, vorwiegend niederländischer Maler, von denen einige zur Illustration des Beitrags beitrugen. Die Autorin macht allerdings darauf aufmerksam, dass es sich hier um Auftragsarbeiten handelt und nicht um Widergabe einer Szene, wie das später bei Fotografien der Fall war.

Ergiebiger zur Rekonstruktion sind da „Tischzuchten“, Benimmregeln für Anwesende an der Tafel des Gastgebers. Es handelt sich hierbei um so etwas wie Litaneien, wie sie im kirchlichen Raum üblich waren, in Reimform und leicht zu merken. Sie muss es wohl auch in lateinischer Sprache gegeben haben, was dann nach dem 15.Jahrundert zu Ende ging. Mit der Erfindung des Buchdrucks wurden sie weit verbreitet und verloren gleichzeitig an Bedeutung, sobald sich eine städtische Kultur und Zivilisation entwickelte.

Entstanden sind die Zuchten im 8. Und 9. Jahrhundert, in der karolingischen Zeit, als sich eine Hofkultur im beginnenden Hl. Römischen Reich Deutscher Nation entwickelte.

Wie war es denn bei Erzbischofs zu Tisch auf Burg Friedestrom?

Die Autorin hat herausgefunden: Ein Festmahl mit dem Erzbischof selbst als Gastgeber bedeutete für ihn einen eigenen Tisch, an dem nur wenige hochrangige Gäste oder Verwandte an der selben Tischseite Platz nahmen, das aber erst nach ausführlich Gebeten und Segenswünschen. Gegessen wurde mit den Händen, Messer kamen später in Mode, Gabeln im Rheinland erst in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts.

Im Laufe des Banketts wurden unterschiedliche Gänge serviert, wobei das Trinken eine eigene Abteilung war. Getrunken wurde aus einem Gefäß das reihum ging. Etwas was sich bis in die Neuzeit gehalten hat, beim Stiefeltrinken in geselliger Runde. 

Ein Apfel wurde nie von einem Tischgast allein gegessen, vielmehr hälftig oder geviertelt, mit Tischnachbarn geteilt. Strittig ist, weshalb das Sitte war, die Angst vor Vergiftung könnte ein Motiv gewesen sein.

Die Sitte, am Tisch des Erzbischofs gemeinsam aus einem Gefäß zu trinken verlor sich im 15. Jahrhundert, als mehrere Becher begannen, den Tisch zu bevölkern. Was das mit den erwähnten Ängsten machte, bleibt unerörtert, kein Wunder, die Autorin erwähnt sie nicht.

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