Der Braunkohleausstieg bewirkt was?

Rhein-Kreis Neuss. Die Landesregierung in Düsseldorf hat den Braunkohleausstieg mit Wirkung von 2030 in einer sogenannten Leitentscheidung bekräftigt. Abgebaut wird Kohle bis dahin noch im Tagebau Garzweiler II, allerdings nur noch die Hälfte von dem, was ursprünglich vorgesehen war, nämlich 280 Millionen Tonnen, d.h. es wird demensprechend weniger CO2 emittiert, von dem man annimmt, dass dies dem Klima nutzt. Ob es das wirklich tut, ist natürlich Glaubenssache.

Nicht Glaubenssache ist, dass dadurch preiswerte elektrische Energie nicht erzeugt wird, die in der Region dringend gebraucht wird, weil sich Industrien angesiedelt haben, die ohne billigen Strom nicht wettbewerbsfähig sind, die ohne diesen untergehen.

„Die Leitentscheidung legt den Rahmen für die Rekultivierungsziele und für eine nachhaltige Entwicklungsperspektive der Region fest –  mit einer starken Landwirtschaft, dem Ausbau der „Erneuerbaren Energien“ (Windmühlen, Photovoltaik, Biogas), einer klimaresilienten und flächensparenden Siedlungsentwicklung einschließlich der Schaffung attraktiver Industrie- und Gewerbeflächen sowie einem Ökosystemverbund als substanziellem Beitrag zum landesgesetzlichen Biotopverbund“, heißt es dort in einer Veröffentlichung, die vom Wirtschaftsministerium veranlasst wurde.

Kohle ist mit einem Anteil von 73,1 % der wichtigste Energieträger in der nordrhein-westfälischen Stromerzeugung. Im ersten Halbjahr 2023 erzeugten die Energieversorgungsunternehmen daraus 26 693 GWh Strom, darunter 7 226 GWh aus Steinkohle und 19 467 GWh aus Braunkohle. Damit ging die Erzeugung aus Kohle insgesamt um 26,9 % gegenüber dem entsprechenden Vorjahreszeitraum zurück (damals: 36 514 GWh).

Aus „Erneuerbaren Energieträgern“ erzeugten die nordrhein-westfälischen Versorgungsunternehmen 1 377 GWh Strom und damit 6,0 % mehr als in der ersten Jahreshälfte 2022 (1 299 GWh). Zur Stromerzeugung aus erneuerbaren Energieträgern trugen in NRW zum größten Teil biogener Abfall (51,2 %), feste biogene Stoffe wie z. B. Holz oder auch Wasserkraft bei. Diese sind verantwortlich für über 90 % der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energieträgern. Wind und Photovoltaik werden bisher von IT NRW methodisch bedingt nicht erfasst, weil die Menge bisher irrelevant. Da besteht also erheblicher Nachholbedarf, falls der vorgezogene Braunkohleaussteig auch nur einigermaßen schadlos ablaufen kann.

Mit dem vorzeitigen Braunkohle-Aus verändert sich auch die finale Form der Fläche, die einmal ein See sein wird. Mönchengladbach bekommt deutlich mehr Seeanteil und damit mehr Ufer als ursprünglich geplant. Der zukünftige Uferbereich könnte, rund 40 Jahre vor der  endgültigen Seebefüllung (im Jahr 2077), 2037, im Rahmen einer Internationalen Gartenausstellung erschlossen werden.

Um einer Versauerung des Grundwassers und des Sees entgegenzuwirken, soll ein Restloch von Garzweiler I bis 2030 mit Abraum vollständig verfüllt und den Erdmassen genügend Kalk beigemengt werden. Eine der großen Aufgaben des Strukturwandels wird es zudem sein, die Tagebaufolgelandschaften nachhaltig zu entwickeln. In der Leitentscheidung wird das als gemeinsame Aufgabe mit den Anrainerkommunen und der Region festgehalten.

Die Umsetzung der Leitentscheidung 2023 soll im Wesentlichen über eine Änderung des  sogenannten Braunkohlenplans Garzweiler II erfolgen. Im Braunkohlenplan werden die Rahmenbedingungen für den Abbau von Braunkohle in der Region festgelegt. Darüber hinaus müssen die Vorgaben der Leitentscheidung in vielen nachgelagerten Prozessen und Verfahren umgesetzt werden. Hierzu zählen beispielsweise die Trassenfindung für die Anbindung der Niers (ein Fluss, der in die Maas mündet) oder eine Masterplanung zur Gestaltung des Restsees. Wie bei der Leitentscheidung selbst, bringt sich der Rhein-Kreis Neuss auf verschiedenen Ebenen über politische Beratung, Fachexpertise und Stellungnahmen auch in die weiteren Verfahrensschritte ein und vertritt so die Anliegen der Menschen vor Ort, heißt es in einem Kommentar

Das alles ist allerdings nur zu realisieren, falls es die Wirtschaftskraft in der Region erlaubt. Wie die ohne preiswerte Energie erhalten werden kann, darüber gibt die Leitentscheidung keine Auskunft, das ist ja auch nicht vorgesehen. Dazu muss es kurzfristig eine andere Entscheidung geben. Geld ist genug da. Es sind € 15 Mrd. bereitgestellt, um den Strukturwandel abzufedern. Der hat preiswerte Energie bereit zu stellen. Aber bisher ist nicht sichtbar, woher sie kommen, noch wie sie produziert werden könnte. Ohne Braunkohleverstromung wird es erst einmal signifikant weniger billige Elektrizität geben.

Hier geht es zum Original der Leitentscheidung: https://www.wirtschaft.nrw/themen/standort/leitentscheidung-2023
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